Johann Trollmann wurde am 27.12.1907 als Sohn einer Sinto-Familie in Wilsche, Gifhorn, geboren.
Da seine athletisch-ästhetische Figur an einen schönen, geradegewachsenen Baum erinnert, gab man ihm den Namen „Rukeli“; „Ruk“ bedeutet in der Sprache des Romanes „Baum“.
Rukeli Trollmann wuchs mit 8 Geschwistern in der Altstadt von Hannover auf. Sein großes Talent zum Boxen zeichnete sich schon sehr früh ab. Bereits mit 8 Jahren stieg er das erste Mal in den Ring. Er gewann die Norddeutsche Meisterschaft und wurde Mitglied des 1922 gegründeten BC-Heros-Eintracht Hannover. In jungen Jahren gewann Rukeli Trollmann viermal die Regional-Meisterschaft, gewann den Norddeutschen Meistertitel und nahm an der Deutschen Meisterschaft der Amateur-Boxer teil.
In der Kulturszene der Weimarer Republik war das Boxen ein beliebtes Freizeitvergnügen. Rukeli Trollmann war ein begnadeter Techniker im Mittelgewicht, sehr schnell auf den Beinen, der seinen eigenen Stil entwickelt hatte und damit seiner Zeit um Jahrzehnte voraus war. Menschen, die ihn boxen sahen, erzählten, er hätte bereits in den 20er-Jahren wie Mohammad Ali geboxt. Durch den Ring tänzelnd, um Gegnern elegant auszuweichen, ihn müde und mürbe zu machen um dann mit einem außergewöhnlich harten Punch zuzuschlagen. Im
Jahre 1928 strich der Verband unter fadenscheinigen Begründungen seinen Namen aus der deutschen Liste für die olympischen Spiele in Amsterdam und schickte stattdessen einen Kontrahenten, der gegen Rukeli Trollmann, damals immerhin Norddeutscher Meister, schon wiederholt verloren hatte. Er wechselte im Januar 1929 daraufhin von Heros-Eintracht zu dem bekanntesten Arbeiter-Sportverein Hannover, dem BC Sparta Linden. Durch seine Erfolge gab die Sportpresse Rukeli Trollmann dem Beinamen „Gipsy“. Er wurde oft als tanzender Zigeuner, der undeutsch boxte, rassistisch diffamiert.
Ein Star, der keiner sein durfte
Da er im Juni 1929 von der olympischen Nominierung ausgeschlossen wurde, fasste er daraufhin den Entschluss, Profiboxer zu werden. Sein Manager wurde der Berliner Ernst Zirzow. Rukeli Trollmann war als Profi sehr schnell sehr erfolgreich und machte sich im Profiboxen einen Namen. Seinen ersten Kampf gegen Willy Bolze gewann er durch k.o. in der 4. Runde. Der Boxsport hatte auf einen wie Rukeli gewartet, ein eleganter Boxer, ein echter Fighter, ein gutaussehender Mann, der auch Schlag bei den Frauen hatte; aus solchem Holz werden Stars geschnitzt.
Im Jahre 1930 bestritt er deutschlandweit 13 Kämpfe überaus erfolgreich. Ab 1932 kämpfte er nur noch gegen die Besten, sowohl im Welter-, Mittel- oder auch Halbschwergewicht; u.a. gegen Baisley USA – unentschieden, gegen de Boer Niederlande in Berlin, gew. n. P., gegen Russo, Argentinien – gew. k.o. 2. Rd. und gegen Witt – gew. n. P. in Dresden (sein späterer Gegner, als er 1933 Deutscher Meister wurde).
Seit dem Jahre 1932 kam der deutsche Boxsport an Rukeli Trollmann nicht mehr vorbei. Nach der Machtübernahme der NSDAP im Januar 1933 änderte sich das Leben von Rukeli Trollmann. Der Boxsport wurde in „Deutscher Faustkampf“ umbenannt. Die Boxclubs in Deutschland wurden neu organisiert und arisiert. Es begann die Ausgrenzung und Verfolgung von nichtarischen Sportlern und Sportlerinnen.
Der Deutsche Meister und dominierende Boxer in Rukeli Trollmanns Gewichtsklasse (Mittelgewicht und Halbschwergewicht), war Erich Seelig. Vor dessen Titelverteidigung wurde Seelig massiv bedroht, auch mit dem Tod und er setzte sich nach Frankreich ab. Er war als Jude seines Lebens nicht mehr sicher.
Rukeli Trollmann folgte seinem Beispiel nicht und blieb in Deutschland. Die nationalistische Sportbehörde hatte damit ein Problem, denn er war zu erfolgreich und zu beliebt, als das man ihn ohne ersichtlichen Grund aus dem deutschen Boxsport hätte verdrängen können.
Erfolgsvernichtende Manipulationen
Am 9. Juni 1933 ließ Rukeli Trollmann seinem Widersacher Adolf Witt durch seine taktische Leistung keine Chance auf einen Punktsieg und wurde zum Superstar.
Gleichzeit wurde ihm sein größter Erfolg als Boxer zum Verhängnis. Sein Sieg stellte für die Nationalisten eine Bedrohung da, denn Rukeli Trollmann demontierte das Bild von der körperlich überlegenden arischen Rasse.
Im Publikum befand sich auch der Vorsitzende des Verbandes „Deutscher Faustkämpfe“ (Radamm).
Als klar wurde, wie der Kampf enden würde, gab der den Punktrichtern die Anweisung, den Kampf als „unentschieden“ zu werten. Die Punktrichter folgten dieser Anweisung. Das boxkundige Publikum war jedoch nicht bereit, Teil dieser Manipulation zu werden, denn sie hatten Rukeli Trollmann als weit überlegenden Boxer gesehen.
Nach massiven Protesten und Drohungen gegen die anwesenden nationalistischen Funktionäre, wurde Rukeli Trollmann zum Sieger erklärt. Die Freude über den deutschen Meistertitel währte nur kurz. Acht Tage nach dem Kampf erhielt er einen Brief des Boxverbandes, in dem Ihn mitgeteilt wurde, dass ihn der deutsche Meistertitel wieder aberkannt wird, da beide Boxer ungenügende Leistungen erbracht hätten. Der Titel wurde nicht vergeben.
Ein Kampf gegen das Regime
Auch ohne Meistertitel blieb Rukeli Trollmann ein Publikumsliebling, den die Nationalisten aus dem Verkehr ziehen wollten. Seine Karriere sollte endgültig beendet werden und er sollte nicht mehr im deutschen Ring boxen. Am 21. Juli 1933 stand Rukelis nächster Kampf an, gegen den bekannten und schlagkräftigen Gustav Eder. Der Aussichtslosigkeit seiner Lage bewusst, stieg er mit blondgefärbten Haaren und weiß gepudertem Gesicht in den Ring. Es wurde ihm nahegelegt, dass er mit Entzug seiner Lizenz als Boxer rechnen müsse, sollte er nicht auf seinen Kampfstil verzichten und zigeunerhaft herumtanzen, sondern sich dem Kampf stellen. Er verzichtete auf seine Beinarbeit, ohne die Schläge auszupendeln, stellte er sich dem Kampf. Fuß an Fuß mit seinem Gegner stand er in der Mitte des Ringes, um Schläge einzustecken und auszuteilen. Nach der fünften Runde ging er k.o. und seine Karriere als Boxer war endgültig besiegelt.
In den nächsten Jahren schlug er sich auf Jahrmärkten als Boxer durch und lebte abwechselnd in Hannover und Berlin. In Berlin begegnete er Olga Frieda Bilda, die er im Juni 1935 heiratete. Mit der im gleichen Jahr geborenen Tochter lebten sie in Berlin. Die Verfolgung von Sinti und Roma nahm nach dem Erlass der Nürnberger Rassengesetze am 15. September 1935 immer stärker zu. Im September 1938 ließen sich Rukeli Trollmann und Olga Bilda scheiden. Im gleichen Jahr wurde er für mehrere Monate ins Arbeitslager Hannover-Ahlem verschleppt.
Bis zum bitteren Ende
Nach seiner Entlassung lebte er im Verborgenen und hielt sich auch eine Zeitlang im Teutoburger-Wald auf, um einer weiteren Verhaftung zu entgehen. Während des Krieges im November 1939 wurde er zu Wehrmacht einberufen. Er war in Polen, Belgien und Frankreich stationiert. Im Frühjahr 1941 wurde er an die Ostfront versetzt, wo er verwundet wurde.
Im Jahre 1942 kam ein Erlass der Wehrmacht heraus, dass Sinti und Roma aus rassenpolitischen Gründen von der Wehrmacht ausgeschlossen sind. Im Juni 1942 wurde Rukeli Trollmann verhaftet und in der Zigeunerzentrale in die Hardenberg-Str. Hannover, gebracht, wo er schwer misshandelt wurde. Im Oktober des gleichen Jahres wurde er in das KZ Neuengamme bei Hamburg gebracht. Er bekam die Häftlingsnummer 9841 und leistete schwerste Zwangsarbeit. Ein früherer Ringrichter und jetziger SS-Mann Albert Lütkemeyer veranlasste, dass Rukeli Trollmann allabendlich nach der Arbeit, obwohl er starken Gewichtsverlust und kaum noch Kraft hatte, gegen SS-Männer zum Boxkampf antreten musste.
Rukeli Trollmann gelang es mit Hilfe des illegalen Häftlingskomitee die Identität eines verstorbenen Häftlings anzunehmen. Um nicht entdeckt zu werden, organisierte man seinen Transport ins Nebenlager Wittenberge. Auch hier wurde er erkannt und musste dort gegen den verhassten Kapo Emil Cornelius kämpfen. Er gewann zwar den Kampf, doch während des Arbeitseinsatzes außerhalb des Lagers, wurde er dann von dem Kapo hinterrücks erschlagen.
Rukeli Trollmanns Tod wurde als Unfall dargestellt. Sein Leichnam wurde mit vielen anderen Toten des Lagers auf dem Friedhof von Wittenberge verscharrt. Erst der Häftling Robert Landsberger, der bei dem Arbeitseinsatz Zeuge von dem Mord an Rukeli Trollmann wurde, überlebt das KZ und machte nach der Befreiung eine Aussage über Rukelis Tod.
Im Jahre 2003 hat der Bund Deutscher Berufsboxer Rukeli Trollmann den Deutschen Meistertitel nachträglich zuerkannt. Allerdings erfolgte diese symbolische Rehabilitierung erst nach massiven öffentlichen Druck. Unter anderem arrangierten sich Nina Gladitz aus Berlin gemeinsam mit Yanko Weiss-Reinhardt sehr emotional für die Rehabilitierung von Rukeli Trollmann.
Nicht unerwähnt in diesem Zusammenhang sollte auch Eva Rolle und vor allem Mike Cloth sein. Im August 2004 wurde in Hannover eine Straße in „Johann-Trollmann-Weg“ umbenannt. Auch wenn Buch-, Film- und Theaterprojekte sein tragisches Schicksal in den letzten Jahren bekannter gemacht haben, hat er immer noch nicht die Würdigung und öffentliche Anerkennung erfahren, die ihm angesichts seiner Bedeutung als Sportler und als tragische Figur der Zeitgeschichte zusteht.